Gesellschaftsrecht Gesellschafterbeschluss Abberufung Geschäftsführer
Das Wichtigste im Überblick:
- Die Abberufung eines Geschäftsführers ist ein komplexer Prozess mit rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen
- Eine sorgfältige Vorbereitung und konsequente Umsetzung sind entscheidend für den Erfolg
- Professionelle rechtliche Unterstützung minimiert Risiken und maximiert die Erfolgsaussichten
Als Gesellschafter stehen Sie vor einer schwerwiegenden Entscheidung: Der Geschäftsführer Ihres Unternehmens erfüllt seine Aufgaben nicht mehr zufriedenstellend, und Sie erwägen seine Abberufung. Diese Situation ist nicht nur emotional belastend, sondern birgt auch rechtliche Fallstricke. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie bei der Abberufung eines Geschäftsführers per Gesellschafterbeschluss vorgehen sollten und welche Aspekte dabei zu beachten sind.
Die Ausgangssituation: Wenn der Geschäftsführer zum Problem wird
Unzufriedenheit mit der Leistung oder dem Verhalten des Geschäftsführers ist oft der Auslöser für den Wunsch nach Abberufung. Als Gesellschafter wollen Sie die Kontrolle über die operative Führung zurückgewinnen und möglichen Schaden von der Gesellschaft abwenden. Doch der Weg dorthin ist mit Unsicherheiten gepflastert:
- Wie kann eine Abberufung rechtssicher umgesetzt werden?
- Welche Konsequenzen hat dieser Schritt für das Unternehmen?
- Wie reagiert der Geschäftsführer auf die Abberufung?
Diese Fragen führen bei vielen Mandanten zu Frust, Ärger und einem Gefühl des Kontrollverlustes. Die Sorge um Reputation und Zukunft des Unternehmens ist groß, ebenso wie die Angst vor einer Konfrontation mit unabsehbaren rechtlichen Folgen.
Rechtliche Grundlagen der Geschäftsführer-Abberufung
Bevor wir uns den praktischen Schritten zuwenden, ist es wichtig, die rechtlichen Grundlagen zu verstehen. Das Recht zur Abberufung eines Geschäftsführers bzw. Vorstands ergibt sich aus verschiedenen Gesetzen und unterscheidet sich je nach Gesellschaftsform:
- Bei der GmbH: § 38 Abs. 1 GmbHG
- Bei der AG: § 84 Abs. 3 AktG
- Bei Personengesellschaften: Die Rechtsgrundlage folgt aus der Natur der Sache
Bei der GmbH handelt es sich um einen einseitigen Akt der Gesellschafterversammlung, § 6 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 46 Nr. 5 GmbHG. Anders als bei der Kündigung des Anstellungsvertrags ist für die Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers kein wichtiger Grund erforderlich, § 38 Abs. 1 GmbHG. Allerdings sollte ein sachlicher Grund vorliegen, um möglichen Anfechtungen vorzubeugen.
Im Gegensatz dazu kann bei der AG gemäß § 84 Abs. 3 AktG der Aufsichtsrat die Bestellung zum Vorstandsmitglied nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes widerrufen.
In beiden Fällen ist die Abberufung strikt von dem zugrundeliegenden Anstellungsvertrag zu trennen. Während die Abberufung die Organstellung beendet, bleibt der Anstellungsvertrag davon zunächst unberührt und muss gegebenenfalls separat gekündigt werden.
Schritte zur rechtssicheren Abberufung eines Geschäftsführers
Die Abberufung eines Geschäftsführers ist ein komplexer Prozess, der sorgfältige Planung und Durchführung erfordert. Folgen Sie diesen Schritten, um rechtssicher vorzugehen:
1. Prüfung der Voraussetzungen
Zunächst gilt es zu prüfen, ob tatsächlich wichtige Gründe für eine Abberufung vorliegen. Dazu können gehören:
- Schwerwiegende Pflichtverletzungen (z.B. Untreue, Privatbestellungen auf Firmenkosten)
- Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung
- Vertrauensverlust oder Zerrüttung des Verhältnisses zu den Gesellschaftern
Dokumentieren Sie alle Vorfälle und Gründe sorgfältig. Dies ist nicht nur für die interne Entscheidungsfindung wichtig, sondern kann auch bei einer möglichen gerichtlichen Auseinandersetzung von Bedeutung sein.
2. Analyse von Gesellschaftsvertrag und Anstellungsvertrag
Eine gründliche Prüfung des Gesellschaftsvertrags und des Anstellungsvertrags ist unerlässlich. Achten Sie besonders auf:
- Spezielle Regelungen zur Abberufung im Gesellschaftsvertrag
- Erforderliche Mehrheiten für Abberufungsbeschlüsse
- Kündigungsfristen und ‑modalitäten im Anstellungsvertrag
- Eventuelle Abfindungsklauseln oder andere Sonderregelungen
Diese Analyse hilft, potenzielle Stolpersteine frühzeitig zu erkennen und in die Strategie einzubeziehen.
3. Vorbereitung der Beschlussfassung
Um die Abberufung “gerichtsfest” zu machen, ist eine sorgfältige Vorbereitung entscheidend:
- Korrekte Einberufung der Gesellschafterversammlung: Beachten Sie die im Gesellschaftsvertrag festgelegten Fristen und Formalitäten.
- Präzise Formulierung der Tagesordnung: Der Tagesordnungspunkt zur Abberufung muss eindeutig und klar formuliert sein, z.B. “Abberufung des Geschäftsführers Herrn/Frau [Name] und Beschlussfassung über die Bestellung eines neuen Geschäftsführers”.
- Lückenlose Dokumentation aller Schritte: Bewahren Sie alle Unterlagen, E‑Mails und Protokolle sorgfältig auf.
- Prüfung der Beschlussfähigkeit: Stellen Sie sicher, dass die erforderliche Anzahl von Gesellschaftern anwesend oder vertreten sein wird.
4. Durchführung der Gesellschafterversammlung
Bei der Durchführung der Versammlung sind folgende Punkte zu beachten:
- Eröffnung und Leitung der Versammlung gemäß Gesellschaftsvertrag
- Feststellung der Beschlussfähigkeit
- Einhaltung der erforderlichen Mehrheiten für den Abberufungsbeschluss
- Gewährung des rechtlichen Gehörs: Geben Sie dem Geschäftsführer die Möglichkeit zur Stellungnahme, auch wenn dies nicht zwingend erforderlich ist
- Korrekte und detaillierte Protokollierung der Beschlüsse, einschließlich des Abstimmungsergebnisses
5. Umsetzung der Abberufung
Nach erfolgtem Beschluss muss die Abberufung umgesetzt werden:
- Unverzügliche Information des Geschäftsführers über seine Abberufung
- Einziehung aller Geschäftsunterlagen, Schlüssel, Zugangsdaten etc.
- Widerruf aller Vollmachten und Zeichnungsberechtigungen
- Eintragung der Abberufung ins Handelsregister
- Regelung der Übergabe und des Übergangsmanagements, einschließlich der Sicherung von Firmenwissen und wichtigen Geschäftskontakten
- Klärung der Folgen für den Anstellungsvertrag (separate Kündigung erforderlich)
6. Nachbereitung und Risikomanagement
- Prüfung möglicher Ansprüche des abberufenen Geschäftsführers (z.B. Abfindungen, Tantiemen)
- Vorbereitung auf mögliche rechtliche Schritte des ehemaligen Geschäftsführers
- Kommunikation mit Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern zur Sicherung des Geschäftsbetriebs
- Einarbeitung des neuen Geschäftsführers und Unterstützung beim Übergang
Beachten Sie, dass jeder Abberufungsfall einzigartig ist und spezifische Herausforderungen mit sich bringen kann. Eine professionelle rechtliche Begleitung kann helfen, Risiken zu minimieren und den Prozess so reibungslos wie möglich zu gestalten.
Fallstricke und Herausforderungen
Die Rechtsprechung hat im Laufe der Zeit einige Fallstricke aufgezeigt, die es zu beachten gilt:
- Zuständigkeitsfragen bei mehreren Geschäftsführern
- Korrekte Ankündigung und Einhaltung von Ladungsfristen
- Sicherstellung der Beschlussfähigkeit
- Mögliche Anfechtbarkeit der Abberufung
Um diese Herausforderungen zu meistern, ist eine profunde Kenntnis der aktuellen Rechtsprechung und eine strukturierte Herangehensweise unerlässlich.
Checkliste und Praktische Tipps für eine erfolgreiche Abberufung
1. Gründe für die Abberufung dokumentieren
- Erstellen Sie eine chronologische Liste aller Vorfälle und Verfehlungen
- Sammeln Sie Beweise wie E‑Mails, Zeugenaussagen oder Finanzberichte
- Beispiel: “Am 15.03.2024 tätigte Herr Mustermann ohne Rücksprache eine Investition von 100.000 € in ein nicht genehmigtes Projekt.”
2. Gesellschaftsvertrag und Anstellungsvertrag analysieren
- Prüfen Sie besondere Abberufungsklauseln und erforderliche Mehrheiten
- Identifizieren Sie Kündigungsfristen und eventuelle Abfindungsregelungen
- Achten Sie auf Wettbewerbsverbote oder Verschwiegenheitspflichten
3. Gesellschafterversammlung ordnungsgemäß einberufen
- Beachten Sie die im Gesellschaftsvertrag festgelegten Fristen (meist 1–2 Wochen)
- Versenden Sie die Einladung schriftlich per Einschreiben an alle Gesellschafter
- Formulierungsbeispiel: “Hiermit lade ich Sie fristgerecht zur außerordentlichen Gesellschafterversammlung am [Datum] um [Uhrzeit] in [Ort] ein.”
4. Tagesordnung präzise formulieren
- Nennen Sie den Abberufungspunkt klar und unmissverständlich
- Formulierungsbeispiel: “TOP 2: Abberufung des Geschäftsführers Herrn Dr. Max Mustermann aus wichtigem Grund und Entlastung”
5. Beschlussfähigkeit und Mehrheiten sicherstellen
- Prüfen Sie vorab, ob die nötige Anzahl von Gesellschaftern teilnehmen wird
- Klären Sie, ob Stimmrechtsvollmachten möglich sind und organisieren Sie diese ggf.
- Berechnen Sie die erforderlichen Stimmen für eine Mehrheit, vgl. § 47 Abs. 1 GmbHG.
6. Beschluss protokollieren und umsetzen
- Führen Sie ein detailliertes Protokoll der Versammlung
- Formulierungsbeispiel: “Mit [X] Ja-Stimmen, [Y] Nein-Stimmen und [Z] Enthaltungen wurde beschlossen: Herr Dr. Max Mustermann wird mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer der X‑GmbH abberufen.”
- Lassen Sie das Protokoll von Versammlungsleiter und Protokollführer unterzeichnen
7. Handelsregister-Eintragung veranlassen
- Reichen Sie unverzüglich eine notariell beglaubigte Anmeldung beim Handelsregister ein, vgl. § 12 HGB.
- Fügen Sie eine Kopie des Abberufungsbeschlusses bei
- Formulierungsbeispiel für die Anmeldung: “Hiermit wird die Löschung von Herrn Dr. Max Mustermann als Geschäftsführer der X‑GmbH angemeldet.”
8. Übergabe und Übergangsmanagement regeln
- Erstellen Sie eine Liste aller zu übergebenden Gegenstände und Informationen
- Organisieren Sie die Rückgabe von Firmeneigentum (Laptop, Handy, Zugangskarten etc.)
- Planen Sie ein Übergabegespräch mit dem neuen Geschäftsführer
Zusätzliche praktische Tipps:
- Erwägen Sie eine vorherige Suspendierung oder Abmahnung des Geschäftsführers, um die Ernsthaftigkeit der Lage zu verdeutlichen
- Bereiten Sie eine Kommunikationsstrategie für Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner vor
- Sichern Sie wichtige Unternehmensdaten und ändern Sie kritische Passwörter
- Prüfen Sie, ob eine einvernehmliche Lösung möglich ist, um potenzielle Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden
Häufig gestellte Fragen
Rechtfertigende Gründe können schwerwiegende Pflichtverletzungen, anhaltende Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder ein tiefgreifender Vertrauensverlust sein. Konkrete Beispiele sind grobe Verstöße gegen Compliance-Richtlinien, wiederholte Kompetenzüberschreitungen oder nachweisbare Schädigung der Gesellschaft.
Die Abberufung beendet nicht automatisch den Anstellungsvertrag. Dieser muss separat gekündigt werden, wobei die vertraglich vereinbarten oder gesetzlichen Kündigungsfristen zu beachten sind. Es empfiehlt sich, beide Schritte koordiniert vorzunehmen.
In der Regel genügt die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen, sofern der Gesellschaftsvertrag keine höhere Mehrheit vorsieht, vgl. § 47 Abs. 1 GmbHG. Es ist ratsam, den Gesellschaftsvertrag auf spezielle Regelungen zu prüfen.
Ja, ein abberufener Geschäftsführer kann den Abberufungsbeschluss anfechten. Erfolgsaussichten bestehen insbesondere bei Verfahrensfehlern oder Missbrauch der Abberufungskompetenz. Eine sorgfältige Vorbereitung und Dokumentation des Abberufungsprozesses ist daher essentiell.
Mögliche finanzielle Folgen umfassen Gehaltsfortzahlungen bis zum Ende der Kündigungsfrist, eventuell vereinbarte Abfindungen sowie ausstehende Tantiemen oder Bonuszahlungen. Die genauen Konsequenzen hängen vom Anstellungsvertrag und den Umständen der Abberufung ab.
Zum Schutz des Unternehmens sollten umgehend alle Vollmachten und Zugangsrechte des abzuberufenden Geschäftsführers widerrufen werden. Zudem ist es ratsam, einen Übergabeplan zu erstellen, der die Sicherung wichtiger Daten und die Kontinuität der Geschäftsbeziehungen gewährleistet.
Eine formelle Anhörung ist gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben, kann aber zur Vermeidung von Anfechtungen und aus Gründen der Fairness sinnvoll sein. Sie bietet zudem die Möglichkeit, die Gründe für die Abberufung zu dokumentieren.
Die Abberufung muss unverzüglich zum Handelsregister angemeldet werden. Bis zur Eintragung kann der abberufene Geschäftsführer im Außenverhältnis noch wirksam für die Gesellschaft handeln. Eine schnelle Handelsregisteranmeldung ist daher im Interesse der Gesellschaft.
Eine durchdachte Kommunikationsstrategie ist entscheidend. Informieren Sie Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner zeitnah und einheitlich. Betonen Sie die Zukunftsperspektiven des Unternehmens und vermeiden Sie öffentliche Schuldzuweisungen. Professionelle PR-Beratung kann in dieser sensiblen Phase hilfreich sein.
Essenziell sind eine lückenlose Dokumentation der Abberufungsgründe, die sorgfältige Prüfung des Gesellschaftsvertrags und des Anstellungsvertrags, die korrekte Einberufung der Gesellschafterversammlung, eine präzise Formulierung des Abberufungsbeschlusses sowie die Vorbereitung eines Übergabeplans. Professionelle rechtliche Begleitung kann entscheidend sein, um Verfahrensfehler zu vermeiden.
- Von Christoph Schmitz-Schunken, Steuerberater, Rechtsanwalt
DH&K Rechtsanwälte