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Die wichtigsten Änderungen Neues Vormundschafts- und Betreuungsrecht 2023 für mehr Selbstbestimmung

Zum 1. Januar 2023 ist das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts in Kraft getreten.  Es soll die Selbstbestimmung von betreuten Menschen und die Qualität der rechtlichen Betreuung stärken und damit den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention Rechnung tragen.

Das Gesetz stellt die größte Reform im Betreuungsrecht seit der Abschaffung der Entmündigung und der ersatzweisen Einführung der sogenannten "Betreuung" im Jahr 1992 dar. Es modernisiert darüber hinaus das Vormundschaftsrecht.

I. Das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

Das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts wurde am 04.05.2021 vom Bundestag verabschiedet und am 12.05.2021 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I S. 882) verkündet. Es ist am 01.01.2023 in Kraft getreten und hat zu diversen Gesetzesänderungen geführt. Die wichtigsten Neuregelungen finden sich im BGB und in dem neu geschaffenen Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG). Darüber hinaus wurden unter anderem das EGBGB, das FamFG, die ZPO, das SGB und das RPflG geändert.

II. Die wichtigsten Änderungen im Betreuungsrecht

Kann ein Volljähriger seine Angelegenheiten ganz oder teilweise rechtlich nicht besorgen und beruht dies auf einer Krankheit oder Behinderung, so bestellt das Betreuungsgericht für ihn einen rechtlichen Betreuer (§ 1814 Abs. 1 BGB). Das Betreuungsrecht regelt die Rechte des betreuten Volljährigen, die Pflichten des Betreuers sowie die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers.

1. Stärkung der Selbstbestimmung betreuter Menschen

Erforderlichkeitsgrundsatz (§ 1814 Abs. 3 BGB)

Durch die Reform wird klargestellt, dass ein Betreuer nur bestellt werden darf, wenn dies erforderlich ist. Die Bestellung ist insbesondere nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen gleichermaßen durch einen Bevollmächtigten oder durch andere (zB auf sozialen Rechten beruhende) Hilfen besorgt bzw. erledigt werden können. Dieser Grundsatz soll auch mithilfe des Instruments der erweiterten Unterstützung durch die Betreuungsbehörden praktisch umgesetzt werden (§§ 8 Abs. 2, 11 Abs. 3 BtOG).

Wunschbefolgung

Bei der Auswahl des Betreuers (§ 1816 Abs. 2 BGB) sowie bei der Vertretung des Betreuten (§ 1821 Abs. 2 BGB) sind grundsätzlich die Wünsche des Betreuten zu berücksichtigen. So darf der Betreuer von seiner Vertretungsmacht (§ 1823 BGB) nur Gebrauch machen, soweit dies erforderlich ist (§ 1821 Abs. 1 S. 2 BGB), zB bei Gefährdung des Betreuten (§ 1821 Abs. 3 Nr. 1 BGB). Entsprechendes gilt für die Aufgabe von Wohnraum (§ 1833 BGB).

Gerichtliche Aufsicht

Ferner wird dem Betreuungsgericht nun eine umfassendere Beratungsfunktion (§ 1861 BGB) und Aufsichtspflicht (§ 1862 BGB) zugewiesen. Insbesondere hat das Betreuungsgericht grundsätzlich den Betreuten persönlich anzuhören, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Betreuer pflichtwidrig den Wünschen des Betreuten nicht oder nicht in geeigneter Weise entspricht oder seinen Pflichten gegenüber dem Betreuten in anderer Weise nicht nachkommt (§ 1862 Abs. 2 BGB). Um dieser Aufsichtspflicht besser nachzukommen, trifft den Betreuer eine jährliche Berichtspflicht (§ 1863 BGB).

2. Sicherung der Qualität der beruflichen Betreuung

Für die Bestellung als beruflicher Betreuer ist nun eine Registrierung bei der zuständigen Betreuungsbehörde erforderlich (§ 19 Abs. 2 iVm § 24 BtOG). Andernfalls besteht auch kein Anspruch auf Vergütung (vgl. § 7 Abs. 1 VBVG).

Voraussetzungen für eine Registrierung als beruflicher Betreuer sind gem. § 23 Abs. 1 BtOG:

  1. die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit,
  2. eine ausreichende Sachkunde für die Tätigkeit als beruflicher Betreuer und
  3. eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus der Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden mit einer Mindestversicherungssumme von 250 000 Euro für jeden Versicherungsfall und von 1 Million Euro für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres.

Die Anforderungen an die Zuverlässigkeit und Sachkunde werden in Abs. 2 und 3 des § 23 BtOG genauer festgelegt. Ferner hat das Bundesministerium der Justiz von seiner Ermächtigungsgrundlage aus § 23 Abs. 5 BtOG Gebrauch gemacht und bestimmt durch die Betreuerregistrierungsverordnung (BtRegV) die Einzelheiten zu den Voraussetzungen der Registrierung sowie zum Ablauf des Registrierungsverfahrens.

Für Betreuer, die bereits vor dem 1. Januar 2023 berufsmäßig Betreuungen geführt haben und weiterhin führen, gelten die Übergangsregelungen des § 32 BtOG. Sie gelten zunächst mit Wirkung bis zum 30. Juni 2023 als vorläufig registriert. In diesem Zeitraum muss ein Antrag auf Registrierung gestellt werden. Wer bis zum 1. Januar 2023 mindestens drei Jahre tätig war, muss seine Sachkunde für die Registrierung nicht mehr nachweisen. Alle übrigen bereits vor dem 1. Januar 2023 beruflich tätigen Betreuer haben ihre Sachkunde erst bis zum 30. Juni 2025 nachzuweisen.

3. Anbindung ehrenamtlicher Betreuer an Betreuungsvereine

Gem. §§ 12 Abs. 1 S.3, 22 BtOG werden die ehrenamtlichen Betreuer stärker an anerkannte Betreuungsvereine gebunden. Demnach sollen ehrenamtliche Betreuer ohne familiäre Beziehung oder persönliche Bindung zum Betroffenen eine Vereinbarung über eine Begleitung und Unterstützung mit einem anerkannten Betreuungsverein oder der zuständigen Betreuungsbehörde abschließen. Allen übrigen ehrenamtlichen Betreuern steht diese Möglichkeit freiwillig zu.

III. Die wichtigsten Änderungen im Vormundschaftsrecht

Zum 01.01.2023 wurde auch das Vormundschaftsrecht modernisiert. Nach § 1773 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht die Vormundschaft für einen Minderjährigen anzuordnen und ihm einen Vormund zu bestellen, wenn er nicht unter elterlicher Sorge steht, seine Eltern nicht berechtigt sind, ihn in den seine Person und sein Vermögen betreffenden Angelegenheiten zu vertreten, oder sein Familienstand nicht zu ermitteln ist.

Die Rechte des Mündels (§ 1788 BGB) und die Pflichten des Vormunds (§§ 1789 ff. BGB) werden nun ausdrücklich normiert und ergeben sich nicht wie vorher nur mittelbar aus der Verweisung auf das elterliche Sorgerecht.

Außerdem werden die verschiedenen Vormundschaftstypen zu einem Gesamtsystem zusammengefügt, in dem die beruflichen Vormünder einschließlich des Jugendamts als Amtsvormund gleichrangig sind. Lediglich ehrenamtliche Vormünder sind vorrangig zu bestellen (§ 1779 Abs. 2 S. 1 iVm § 1774 Abs. 1 Nr. 2-4 BGB).

Des Weiteren wurde das Institut des vorläufigen Vormundes eingeführt. Sind die erforderlichen Ermittlungen zur Auswahl des geeigneten Vormunds noch nicht abgeschlossen, kann vorübergehend ein Vormundschaftsverein oder das Jugendamt als vorläufiger Vormund bestellt werden (§ 1781 BGB). Dadurch soll sichergestellt werden, dass genügend Zeit für die Suche eines geeigneten Vormundes zur Verfügung steht.

IV. Vergütung und Aufwendungsersatz

Durch die Reform wurde auch die Systematik der Vergütungsregelungen geändert. Ansprüche von nicht berufstätigen bzw. ehrenamtlichen Vormünder und Betreuern auf Aufwendungsersatz und Ermessensvergütung (grundsätzlich steht ehrenamtlichen Vormündern und Betreuern kein Anspruch auf Vergütung zu) sind weiterhin im BGB geregelt. Die auf Betreuer anwendbaren Regelungen finden sich in den 1875 ff. BGB. Gem. § 1808 BGB gilt ein Großteil dieser Regelungen auch für Vormünder.

Für die Vergütung beruflich tätiger Vormünder und Betreuer wurde wiederum das Vormund- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG) geschaffen, auf das in § 1808 Abs. 3 BGB (für Vormundschaft) und in §1875 Abs. 2 BGB (für Betreuung) verwiesen wird.

V. Notvertretungsrecht für Ehegatten

Nach vorheriger Rechtslage konnten Ehegatten weder Entscheidungen über medizinische Behandlungen für ihren nicht mehr selbst handlungsfähigen Partner treffen noch diesen im Rechtsverkehr vertreten, wenn sie nicht als rechtliche Betreuer ihres Partners bestellt werden oder von ihm durch eine Vorsorgevollmacht bevollmächtigt worden sind. Der § 1358 BGB bietet den Ehegatten nun ein Notvertretungsrecht für Angelegenheiten der Gesundheitssorge. Dieses ist jedoch auf sechs Monate beschränkt und nicht anwendbar, wenn bereits ein Betreuer bestellt wurde oder eine Vorsorgevollmacht vorliegt.

IV. Ausblick

Das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts stärkt die Selbstbestimmung betreuter Menschen und sichert - zumindest rein rechtlich - die Qualität der beruflichen Betreuung. Mit dem Erforderlichkeitsgrundsatz wird das Ziel verfolgt, die Zahl der rechtlichen Betreuungen zu senken und vermehrt auf Bevollmächtigungen und andere soziale Hilfen zu setzen.

Durch die Bestellung eines vorläufigen Vormundes soll auch im Vormundschaftsrecht die Suche eines geeigneten Vormundes ermöglicht bzw. erleichtert werden. Ferner werden die Familiengerichte dazu angehalten, vorrangig ehrenamtliche Einzelpersonen zu Vormündern zu bestellen, da diese mehr Zeit, Engagement und persönliche Zuwendung für den Mündel aufbringen könnten. Bisher überwiegt die Anzahl der Amtsvormundschaften, mitunter aufgrund der Knappheit an qualifizierten Vormündern. Um dem in der Praxis entgegenzuwirken, genügt jedoch keine bloße Gesetzesänderung; es muss darüber hinaus die Akquise geeigneter Vormünder gefördert werden.


Ein Fachbeitrag aus dem DIRO-Netzwerk

Beitrag veröffentlicht am
19. März 2023

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