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LG Hamburg, Urteil vom 13.12.2024 – 307 S 40/24 Schonfristzahlung kann ordentliche Kündigung im Einzelfall unwirksam machen

Das Landgericht Hamburg hatte zu entscheiden, ob eine ordentliche Kündigung des Vermieters wegen Mietrückständen Bestand haben kann, wenn der Mieter die Rückstände kurz nach Zugang der Kündigung vollständig ausgleicht. Dabei greift die Entscheidung eine zentrale Frage der jüngeren mietrechtlichen Diskussion auf: Welche Bedeutung hat eine Schonfristzahlung (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) für die Wirksamkeit einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung? Das Gericht folgt der Linie des Bundesgerichtshofs, differenziert aber im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Sachverhalt

Der Vermieter hatte das Mietverhältnis wegen Zahlungsrückständen mit Schreiben vom 8. März 2024 fristlos, hilfsweise ordentlich, gekündigt. Die Mieter beglichen die Rückstände nur drei Tage später, am 11. März 2024, vollständig – und zwar einschließlich eines vom Vermieter verlangten, aber nicht wirksam vereinbarten Mieterhöhungsbetrags.

Das Amtsgericht Hamburg-Blankenese wies die Räumungsklage ab. Es sah in der schnellen Nachzahlung und dem bisherigen vertragsgerechten Verhalten der Mieter keinen hinreichenden Grund, das Mietverhältnis zu beenden. Dagegen wandte sich der Vermieter mit der Berufung: Die Schonfristzahlung betreffe allein die fristlose Kündigung, nicht aber die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung.

Entscheidung

Das Landgericht Hamburg bestätigte das erstinstanzliche Urteil und wies die Berufung zurück.Zwar stellte das Gericht klar, dass die Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nur die fristlose Kündigungbetrifft. Diese Differenzierung entspreche – so unter Hinweis auf das BGH-Urteil vom 13. Oktober 2021 (VIII ZR 91/20) – dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers. Danach bestehen fristlose und ordentliche Kündigungstatbestand nebeneinander; eine automatische Auswirkung der Schonfristzahlung auf die ordentliche Kündigung ist ausgeschlossen.

Gleichzeitig verwies das Landgericht jedoch auf die weitere Rechtsprechung des BGH (u. a. Urt. v. 16. 2. 2005 – VIII ZR 6/04; Beschl. v. 6. 10. 2015 – VIII ZR 321/14; Urt. v. 19. 9. 2018 – VIII ZR 261/17), wonach sich die Berufung auf eine an sich wirksam ausgesprochene Kündigung nach § 242 BGB als rechtsmissbräuchlich erweisen kann.

Im konkreten Fall hatten die Mieter unverzüglich nach Zugang der Kündigung die nicht wirksam vereinbarten Mieterhöhungsbeträge gezahlt, bislang keine Rückstände verursacht und sich ansonsten vertragsgetreu verhalten. Das Landgericht sah darin ein Verhalten, das die Pflichtverletzung „in milderem Licht“ erscheinen lasse. Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses sei den Vermietern zumutbar. Die ordentliche Kündigung sei deshalb unwirksam.

Fazit

Die Entscheidung verdeutlicht die zweistufige Prüfung, die inzwischen in der mietrechtlichen Praxis maßgeblich ist:

  1. Dogmatisch bleibt es dabei, dass die Schonfristzahlung nur die fristlose Kündigung betrifft.
  2. Praktisch kann jedoch eine ordentliche Kündigung im Einzelfall an § 242 BGB scheitern, wenn die nachträgliche Zahlung die Störung des Vertrauensverhältnisses heilt.

Das Landgericht Hamburg reiht sich damit in eine Linie ein, die die strikte Gesetzesanwendung mit Billigkeitserwägungen verbindet. Für Vermieter bedeutet das: Auch bei formal wirksamer ordentlicher Kündigung kann eine schnelle Nachzahlung durch den Mieter die Räumungsklage zu Fall bringen. Mieter können sich in solchen Fällen unter Umständen auf den Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs berufen, wenn sie unmittelbar nach Ausspruch der Kündigung die Rückstände vollständig ausgleichen und künftig vertragsgetreu handeln – ein Anspruch auf Fortbestand des Mietverhältnisses besteht jedoch nicht automatisch, sondern hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab.

Quelle: LG Hamburg, Urteil vom 13.12.2024 – 307 S 40/24


Ein Fachbeitrag aus dem DIRO-Netzwerk

Beitrag veröffentlicht am
7. Oktober 2025

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